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„Pankower Urteil“, Ergebnis der Berufungsverhandlung

gericht„… zunächst einmal vielen Dank an alle, die unsere Aktion vor dem Landgericht am 18.09. durch ihre Teilnahme und ihre Mithilfe unterstützt und getragen haben. Das Interesse der Medien war groß und wir erwarten und hoffen, dass dieses Thema in der Öffentlichkeit weiter publik wird.

Fotos von der Aktion: https://goo.gl/lkkNKO
(Danke Hartmut!)
Lest die Pressemitteilung des Gerichts zur Verhandlung hier:
(siehe unten)

Wie vielleicht zu erwarten war, hat sich Richterin Paschke in der Verhandlung keine „Blöße“ gegeben. Während bei der Frage der Mieter-eigenen Gasetagenheizung vs. neue Gaszentralheizung ein Gutachten zum Nachweis der Energieeinsparung angefordert wurde (Mieter ist dabei in der Beweispflicht), wurde bei der Frage der Fassadendämmung gemauert und auf die Gesetzeslage verwiesen.

Man argumentierte mit der Duldungspflicht des Mieters gegenüber dieser energetischen Maßnahmen, Zitat:

Die Anbringung einer Wärmedämmung sei offensichtlich eine vom Gesetzgeber gewünschte energetische Maßnahme und damit eine Wohnwertverbesserung mit der Folge der Duldungspflicht.

Es wurde auf den Willen des Gesetzgebers (Politik) verwiesen und darauf, dass hier (vor Gericht) nur geltendes Recht angewendet werden könne. Jegliche Sachargumente, die sowohl die extreme Unwirtschaftlichkeit dieser Maßnahme für die Mieter, als auch die Frage der energetischen Gesamtbilanz, sowie Zweifel an der herrschenden ungerechten Gesetzeslage anbrachten, wurden in der Verhandlung ignoriert.

Das Landgericht sieht offenbar keine Möglichkeit, die Ungleichbehandlung von Eigentümern und Mietern aufzulösen und den Wirtschaftlichkeitsparagraf der EnEV (§25) auch für Mieter geltend anzuwenden, was hier lediglich eine Gleichbehandlung von Eigentümern und Mietern bedeuten würde.
Das Landgericht folgte dahingehend nicht der Argumentation des Amtsgerichts und hält die „Gewährung von Ausnahmen nicht auf den Mieter übertragbar, da dieser nicht selbst verpflichtet werde“. Man attestiert jedoch eine „mangelnde Regelungslücke“, welche die Anwendung dieser Regelung auf den Mieter angeblich unzulässig mache.
Letztlich hält man also an der Ungleichbehandlung von Eigentümern und Mietern – zu Ungunsten der Mieter – fest.

Natürlich hätte Frau Paschke aufgrund der vorgetragenen Sachargumente anders argumentieren können, denn Möglichkeiten dazu gab es.

Bezug genommen wurde auf das Mietrechtsänderungsgesetz vom 1. Mai 2013, das noch vor dem Regierungswechsel 2013 vom schwarz-gelben „Kabinett Merkel II“ verabschiedet wurde und mit dem sich die Gesetzeslage für Mieter bei energetischen Modernisierungen deutlich verschlechtert hat, denn hier wurde ein regelrechtes „Zwangsgesetz“ geschaffen, dass Mietern jegliche Möglichkeit des Einwands gegenüber energetischen Modernisierungsmaßnahmen nimmt.

Info 84: Mietrechtsänderungsgesetz 2013

Hinsichtlich der Dämmung wurde von der Anwältin der Mietpartei ein Antrag eingereicht, der eine Revision bei Aufrechterhaltung der Duldungspflicht zulässt, dem (so wie ich es verstanden habe) statt gegeben wurde, d.h. bei der Dämmung kann es in die nächste Instanz gehen, sofern kein Vergleich stattfindet.

Die Verkündung einer Entscheidung des Gerichts wurde für den 6. November 2015, 12:00 Uhr festgelegt.

Ich hoffe ich habe als nicht-teilnehmender der Verhandlung (der Gerichtssaal war zu voll) und nicht-Jurist hier alles richtig wiedergegeben. Ich bitte um Rückmeldung an mich bei Korrekturen/ Ergänzungen.

Wir bleiben jedenfalls weiter an der Sache dran und werden alles dafür tun, dass hier für Mieter wieder Recht einkehrt. Teure und unsinnige energetische Modernisierungsmaßnahmen dürfen Wohnraum nicht weiter drastisch und schlagartig verteuern können und Mieter reihenweise zu Sozialfällen machen und aus ihren Wohnungen vertreiben. Dieses fehl geleitete „Instrument“ gehört abgeschafft und die Ungleichbehandlung von Eigentümern und Mietern aufgehoben.

Macht dabei mit!

Grüße,
Tilo Trinks
Kurt Jotter

***
Landgericht Berlin: Verhandlung im Rechtsstreit
über Duldung von Modernisierungsmaßnahmen (PM 50/2015)
Pressemitteilung
Berlin, den 18.09.2015

Die Präsidentin des Kammergerichts
Elßholzstraße 30-33, 10781 Berlin

Die Zivilkammer 63 des Landgerichts Berlin hat heute in einem Rechtsstreit darüber verhandelt, in welchem Umfang Mieter Modernisierungsmaßnahmen hinnehmen müssen. Die Klägerin, ein großes kommunales Wohnungsunternehmen in Berlin, fordert von den Mietern einer Wohnung in einem Miethauses in Berlin-Pankow u.a. die Duldung des Einbaus einer Gaszentralheizungsanlage, der Anbringung einer Außenwärmedämmung und der Vergrößerung des Bades durch Hinzunahme einer Abstellkammer. Das Amtsgericht hatte der Klage hinsichtlich des Einbaus der zentralen Heizungsanlage und des Bades stattgegeben und die Klage hinsichtlich der Wärmedämmung abgewiesen. Gegen das Urteil haben beide Seiten Berufung eingelegt.

Die Berufungskammer des Landgerichts brachte nach vorläufiger Beratung zum Ausdruck, dass die Frage, ob durch den Einbau einer Gaszentralheizung die für einen Duldungsanspruch erforderliche Wohnwertverbesserung eintrete, von den konkreten Gegebenheiten abhängig sei, wenn bereits – wie hier – in der Wohnung eine Gasetagenheizung vorhanden sei. Wenn der Energieträger gleich bleibe, liege es nicht auf der Hand, dass dadurch Energie eingespart werde. Vielmehr müsse durch einen Sachverständigen geprüft werden, ob z.B. im Hinblick auf etwaige Verteilungsverluste überhaupt ein geringerer Energieverbrauch ermöglicht werden könne.

Hinsichtlich der Wärmedämmung verwies die Kammer darauf, dass der Gesetzgeber ausdrücklich die Duldung der Modernisierungsmaßnahmen und die Frage, inwieweit dadurch eine Mieterhöhung berechtigt sei und die Kosten der Modernisierung auf den Mieter umgelegt werden können, in zwei separate Verfahren aufgesplittet habe. Die Anbringung einer Wärmedämmung sei offensichtlich eine vom Gesetzgeber gewünschte energetische Maßnahme und damit eine Wohnwertverbesserung mit der Folge der Duldungspflicht. Wie hoch die Energiekosten für die Produktion der Wärmedämmung im Verhältnis zur der Energieeinsparung seien und ob ein Missverhältnis zwischen den Kosten der Maßnahme und der dadurch eintretenden Energiekosteneinsparung vorliege, sei nach geltendem Recht für die allein zu beurteilende Frage der Duldung unerheblich. Insofern handele es sich auch um rechtspolitische Erwägungen, die hier nicht berücksichtigt werden könnten.

Aufgrund des Mieterschutzes, durch den der Vermieter nur ganz eingeschränkte Kündigungsrechte habe, habe der Gesetzgeber dem Vermieter als Ausgleich u.a. das einseitige Recht eingeräumt, Modernisierungsmaßnahmen unter Beachtung der rechtlichen Voraussetzungen durchzuführen mit der Folge einer entsprechenden Duldungspflicht des Mieters. Soweit die Energieeinsparungsverordnung den Vermieter grundsätzlich zur Durchführung energetischer Maßnahmen verpflichte, sei die in der Verordnung eingeräumte Gewährung von Ausnahmen nicht auf den Mieter übertragbar, da dieser nicht selbst verpflichtet werde. Mangels Regelungslücke sei die analoge Anwendung dieser Ausnahmeregelung zu dessen Gunsten nicht zulässig.

Die Wohnwertverbesserung durch die geplante Vergrößerung des Bades sei dagegen zweifelhaft, da kein zusätzliches Sanitärobjekt eingebaut werde und der Abstellraum entfalle.

Das Gericht hat einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung für den 6. November 2015, 12:00 Uhr, anberaumt und gegenüber den Parteien angeregt, aufgrund der möglicherweise notwendigen Beweiserhebung hinsichtlich der geplanten Gaszentralheizung Vergleichsgespräche zu führen.

Landgericht Berlin – 67 S 120/15 –

Amtsgericht Pankow-Weißensee, Urteil vom 28. Januar 2015
– 7 C 52/14 –

http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/kg/presse/archiv/20150918.1520.402482.html

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Bislang im Blog:

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Eins wird der Normalo nimmer verstehen: wenn das LG Berlin so versessen darauf ist, sich am Willen des Gestzgebers zu orientieren – warum beachtet es den im Energieeinsparungsgesetz dokumentierten Willen nicht?

Gesetz zur Einsparung von Energie in Gebäuden (Energieeinsparungsgesetz – EnEG)
§ 5 Gemeinsame Voraussetzungen für Rechtsverordnungen(1) Die in den Rechtsverordnungen nach den §§ 1 bis 4 aufgestellten Anforderungen müssen nach dem Stand der Technik erfüllbar und für Gebäude gleicher Art und Nutzung wirtschaftlich vertretbar sein. Anforderungen gelten als wirtschaftlich vertretbar, wenn generell die erforderlichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer durch die eintretenden Einsparungen erwirtschaftet werden können. Bei bestehenden Gebäuden ist die noch zu erwartende Nutzungsdauer zu berücksichtigen.

(2) In den Rechtsverordnungen ist vorzusehen, dass auf Antrag von den Anforderungen befreit werden kann, soweit diese im Einzelfall wegen besonderer Umstände durch einen unangemessenen Aufwand oder in sonstiger Weise zu einer unbilligen Härte führen.

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