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Berliner Mieterverein erbringt Belege für Sanierungs-Beschiss

Modernisierung und Energieeinsparmaßnahmen verteuern das Wohnen erheblich. Berliner Mieterverein präsentiert Analyse von 200 Fällen in Berlin

Die Modernisierung und insbesondere die energetische Gebäudesanierung nehmen in der Beratungspraxis der Mietervereine einen immer größeren Raum ein. Die Nachfrage nach Beratungen ist beim Berliner Mieterverein seit 2009 um mehr als das Fünffache angestiegen. Anhand von knapp 200 Modernisierungsankündigungen hat der Berliner Mieterverein in den Zeiträumen 2012-2013 und 2015-2016 die aufgewendeten Baukosten nach Art der Maßnahme sowie die Mietentwicklung nach Modernisierung untersucht. Das Ergebnis macht einen erheblichen mietrechtlichen Handlungsbedarf deutlich.

1. Ergebnisse der Kurzstudie: Mieterhöhungen nach Modernisierung und Energieeinsparung

Der durchschnittliche Mietenanstieg um 2,44 €/qm bzw. 186,37 € absolut im Monatbedeutet – gemessen an der durchschnittlichen ortsüblichen Vergleichsmiete im Mietspiegel 2015 – einen Anstieg von fast 42 %. Die Nettokaltmiete steigt im Schnitt nach den Ergebnissen der Kurzstudie von 4,73 €/qm im Monat auf 7,14 €/qm im Monat. Die Heizkosten verringern sich trotz überwiegend energetischer Maßnahmen im Jahr nach der Modernisierung nicht. Die Vermieter verlangen weiterhin die alten Vorauszahlungen, offenkundig weil sie der vermuteten Energieeinsparung und damit auch der Heizkostenersparnis nicht trauen. Nur bei einer sehr kleinen Fallzahl konnte anhand von Heizkostenabrechnungen vor und nach der Modernisierung die tatsächliche Reduktion des Energieverbrauchs ermittelt werden. In diesen Fällen sank der Energieverbrauch für Heizwärme von vorher 138 kWh/qm/a auf 102,94 kWh/qm/a. Bei einem Energiepreis von 8 Cent/kWh ergäbe sich in diesem Fall eine Einsparung von 2,80 €/qm im Jahr, bei einer 70 qm großen Wohnung gerade knapp 200 € im Jahr. Selbst wenn unterstellt wird, dass die energetische Ausgangssituation der meisten modernisierten Gebäuden schlechter als der Durchschnitt ist, wird in der Regel keine Heizkostenersparnis von mehr als 300 €/Jahr bei einer 70 qm großen Wohnung erreicht. Nach den Ergebnissen der Kurzstudie des Mietervereins müssten bei unterstellten 65 % der Baukosten für energetische Maßnahmen mehr als 1300 € im Jahr an Mieterhöhung gezahlt werden. Mieterhöhung und Heizkostenersparnis stehen also in keinem vernünftigen Verhältnis. Selbstnutzende Eigentümer würden in einem solchen Fall erst gar nicht zu bauen anfangen.

Im Übrigen wurde deutlich, dass durch Modernisierung auch keine kalten Betriebskosten eingespart werden, was aber zu erwarten war. Gleichwohl zeigt sich einmal mehr, dass durch die vollständige Abwälzung der kalten Betriebskosten auf den Mieter keinerlei Anreiz für eine modernisierungsbedingte Betriebskostensenkung entsteht.

Bei den untersuchten Modernisierungsankündigungen liegt die Mehrzahl der erwarteten Mieterhöhungen zwischen 0,50 und 2,50 €/qm im Monat. Allerdings werden bei 26 Fällen Mietsteigerungen von 4 €/qm und mehr angekündigt, was immerhin einen Anteil von 13,13 % aller Fälle ausmacht. Bei knapp einem Viertel aller Ankündigungen soll die Miete um 3 €/qm/mtl. und mehr erhöht werden, bei einer 70 qm großen Wohnung mindestens 200 € monatlich.

Aus Mietersicht ist von besonderer Bedeutung, in welchem Verhältnis die bisher gezahlte Nettokaltmiete ansteigt. Zahlt ein Mieter bereits eine Nettokaltmiete von 12 €/qm, darf davon ausgegangen werden, dass er aufgrund seines Einkommens eine Mieterhöhung nach Modernisierung um 2,44 €/qm leichter verkraften kann, als ein Mieter, der 4 €/qm nettokalt vor der Modernisierung zahlt. Denn im Wesentlichen werden Mieter auch nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Miete bezahlen, wobei gilt, dass Haushalte mit niedrigem Einkommen ohnehin einen höheren Teil ihres Einkommens für die Miete aufwenden müssen. In 63,64 % aller Fälle (N=126) sollen Mieter nach der Ankündigung eine Nettokaltmietenerhöhung um bis zu 60 % hinnehmen (siehe Abbildung 7). In 27 Fällen (13,64 %) steigt die Nettokaltmiete um mehr als das Doppelte an. In diesen Fällen nehmen Vermieter bewusst in Kauf, dass die Modernisierung zu einer Verdrängung führen wird.

Ohne Berücksichtigung des Abzugs für notwendige Instandsetzungskosten und der Baunebenkosten machen die nichtenergetischen Baumaßnahmen etwa 38 % des Bauaufwands aus. Für energetische Baumaßnahmen betrugen die Kosten im Schnitt 173 €/qm Wohnfläche. Für die gesamten Baukosten entstand ein finanzieller Aufwand von im Schnitt 391 €/qm Wohnfläche. Innerhalb der Maßnahmen mit energetischer Ertüchtigung ist die Dämmung der Gebäudehülle weiterhin der Preistreiber. Die tatsächlich aufgewendeten Baukosten für die Dämmung der Gebäudehülle betrugen mehr als das Dreifache der Erneuerung der Heizanlage und mehr als das Zehnfache der Kosten für die Fenstersanierung. Die Umstellung auf Nutzung erneuerbarer Energien führt in der Modernisierungspraxis weiter ein Schattendasein. Nur in 9 von 198 Fällen gab es dazu Maßnahmen.

Für die Erfüllung der Klimaschutzziele, denen sich die Bundesrepublik Deutschland international verpflichtet hat, ist die Verringerung des CO2-Ausstoßes im Wohngebäudebereich unerlässlich. Aufgrund fehlender sozial verträglicher Ordnungsmaßnahmen setzt die Bundesregierung auf die Bereitstellung von Finanzhilfen für Eigentümer (KfW, BAFA, etc.), die die mietumlagefähigen Baukosten verringern. Die Ergebnisse dieser Studie sind jedoch im Hinblick auf die Nutzung der Fördermittel ernüchternd: Nur in 11 Fällen von 198 Fällen wurden Fördermittel beantragt, was 5,56 % aller Fälle ausmacht. Im Ergebnis bedeutet dies, dass der Einsatz öffentlicher Fördermittel für eine sozial verträgliche Klimaschutzpolitik im Wohngebäudebestand nahezu bedeutungslos ist. Auf angespannten Wohnungsmärkten nutzen Gebäudeeigentümer keine öffentlichen Fördermittel zur Verringerung des Wohnkostenanstiegs durch Modernisierung, weil sie offenbar davon ausgehen können, auch teuer modernisierte Wohnungen vermieten oder ggf. verkaufen zu können.

2. Mietrechtliche Verbesserungsvorschläge des Berliner Mietervereins

Für den Berliner Mieterverein gibt es daher zu einer mietrechtlichen Korrektur der BGB-Regelungen über Modernisierung keine Alternative. Das Ziel der mietrechtlichen Korrektur ist die Abschaffung der Mieterhöhungsmöglichkeit nach § 559 BGB. Ein Vermieter soll zukünftig auch bei Modernisierungsmaßnahmen die Miete nur in Bezug auf die ortsübliche Vergleichsmiete erhöhen dürfen. Dazu bedarf es aber verschiedener Änderungen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Zudem soll ein Vermieter für eine Übergangszeit bei energetischen Maßnahmen über die Warmmietenneutralität hinaus einen Zuschlag in Orientierung an der tatsächlich eingesparten Energie erheben dürfen, der pauschaliert in einer Rechtsverordnung festgelegt wird.

Eine solche gesetzliche Neuregelung braucht Zeit. Bis dahin schlägt der Berliner Mieterverein eine gesetzliche Neuregelung mit folgenden Schwerpunkten vor:

1. Statt 11 % darf der Vermieter zukünftig nur noch 4 % der Modernisierungsinvestition jährlich auf den Mieter abwälzen.

2. Die ortsübliche Vergleichsmiete darf durch die Mieterhöhung nach Modernisierung um nicht mehr als 10 % überschritten werden (Harmonisierung mit der Mietpreisbremse).

3. Die Einhaltung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit hat der Vermieter dem Mieter darzulegen.

4. Mieterhöhungen nach Modernisierung sind nur bis zu 1,50 €/qm Wohnfläche binnen 8 Jahren zulässig.

5. Die finanzielle Härte soll wieder bei der Duldung vom Mieter eingebracht werden können. Die Mitteilungsfrist für finanzielle Härte soll auf zweite Monate verlängert werden. Die finanzielle Härte gilt auch, wenn der Vermieter Maßnahmen zur Herstellung des allgemein üblichen Standards durchführt. Die finanzielle Härte soll gesetzlich definiert werden und vorliegen, wenn mit der Mieterhöhung die Bruttowarmmiete das Haushaltsnettoeinkommen um mehr als ein Drittel übersteigt, eine ggf. vorliegende finanzielle Härte vor Beginn der Modernisierung soll Berücksichtigung finden.

6. Eine Kündigung wegen Verweigerung der Duldung ist erst 2 Monate nach rechtskräftigem Duldungsurteil zulässig.

Liste sehr hoher Mietsteigerungen nach Modernisierung:

Objekt/Wohnanlage Ortsteil/Bezirk Anstieg nach Modernisierung in €/qm
um monatlich ca.
Am Steinberg Tegel/Reinickendorf 16,10
Immanuelkirchstr. 35 Prenzlauer Berg/Pankow 13,44
Niebuhrstr. 55 Charlottenburg 13,07
Kopenhagener Str. 46 Prenzlauer Berg/Pankow 11,49
Winsstr. 59 Prenzlauer Berg/Pankow 10,42
Warschauer Str. 16 Friedrichshain 9,54
Güntzelstr. 66 Wilmersdorf 9,11
Stuttgarter Platz 2 Charlottenburg 7,55
Schönhauser Allee 140 Prenzlauer Berg/Pankow 7,25
Erich-Weinert-Str. 5 Prenzlauer Berg/Pankow 7,09
Bürknerstr. 27 Neukölln 6,33
Bevernstr. 2 Kreuzberg 5,94
Bötzowstr. 49 Prenzlauer Berg/Pankow 5,94
Wilmersdorfer Str. 154 Charlottenburg 5,88
Zillestr. 67 Charlottenburg 5,86
Lützowstr. 37 Tiergarten/Mitte 5,85
Koppenstr. 82 Friedrichshain 5,26
Stühlingerstr. 22 Karlshorst 4,97
Schildhornstr. 71 Steglitz 4,71
Erich-Boltze-Str. 1 Prenzlauer Berg/Pankow 4,66
Stephanstr. 46 Tiergarten/Mitte 4,65
Zwinglistr. 36 Tiergarten/Mitte 4,64
Goethestr. 80 Charlottenburg 4,63

Berliner Mieterverein
Pressemitteilung Nr. 25/17

Empirische Kurzstudie: Mieterhöhungen nach Modernisierung und Energieeinsparung
[PDF, 32 Seiten]
3 Beispielhäuser, Mieterzusammenfassungen
[PDF, 5 Seiten]

  1. 08.09.2017 um 09:51

    Eine recht einseitige Betrachtung 😉
    Energetische Modernisierungsmaßnahmen (Baukörper, Anlagentechnik) sind unverzichtbar.
    Allerdings müssen sich diese auch für den Mieter wirtschaftlich positiv darstellen. Einfach nur WäDä an die AW „zu pappen“ dürfte wirtschaftlich nur wenig Erfolg bringen, wie div. Pressemeldungen belegen.
    Bestandsanlagen sind meist bereits im Ausgangszustand hinsichtlich der Anlagenaufwandszahl grottenschlecht, was gerade bei Vermietobjekten scheinbar Niemand interessiert!
    Kommt jetzt noch eine teure WäDä und/oder Fenstertausch hinzu, werden die Anlagenaufwandszahlen noch schlechter, was die Investoren scheinbar absolut nicht interessiert!

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